50 Forellen

 Vor einiger Zeit lief im Fernsehen der Film „Lachsfischen im Jemen“.

Zufälligerweise blieb ich an dem Film hängen, als ich abends Herrin der Fernbedienung war und das Fernsehprogramm aussuchen durfte:

Zapp…und Zapp….und Zapp….Moment….der hatte doch ne Angel in der Hand! Zurück und….das standen die zwei Hauptdarsteller mit Fliegenruten im Wasser, als der rechte ( ein Scheich) zum linken Angler (ein Fischereiexperte) sagte:

„Ich fische immer mit ihrer Fliege, mit der Alfred-Jones-Fliege!“

„Das ist jetzt nicht dein Ernst, Sandra!“ bruttelte es rechts von mir auf dem Sofa.

„…der gibt einem Köder seinen eigenen Namen?“

Also im Prinzip, fand ich die Idee gut!

Auf jeden Fall war ich am Wochenende zum angeln verabredet, und zwar mit ein paar Fliegenfischern am Forellensee im Schwarzwald.

In unterkühlter Erinnerung an unsere letzte Fliegenfischaktion in Frankreich als der See halb zugefroren war und wir 80 Euro für eine Forelle hinblätterten….überlegte ich tagelang ob ich die Aktion nicht abblasen sollte.

Tagelang schossen Bilder in meinen Kopf mit blauen Fingern, Schneebergen, leeren Eimern und versehentlich-verlorenen-mit-Liebe-gebundenen Fliegen!

Tagelang….ja tagelang, bis….ja, bis ich Mittwochs im Asialaden einkaufte und spontan einen Glückskeks entscheiden lies.

Wahrscheinlich steht jetzt wieder sowas drin wie „Der Tag ist zu Ende wenn es Nacht ist“

Doch der Keks offenbarte mir folgendes:

 

Ich entschied mich also für die Herausforderung!

Um 8 Uhr des Angeltages sprangen nochmal 2 Leute ab, die unbedingt mitwollten, denen aber 1 Grad Celcius Angeltemperatur morgens um 8 Uhr dann vermutlich doch etwas zu frostig war. Es blieb der harte Kern:

Tjaark, Peter und meine Wenigkeit.

Einsam standen wir am großen See, während noch vereinzelt die letzten Schneeberge auf der Wiese standen.

„Wir brauchen 42 Forellen!“ ,meinte Tjaark. Ich brauchte vier und Peter auch.

50 Forellen!

Zur Sicherheit hatte ich noch eine Ansitzangel und eine Spinnangel dabei, Schneider durfte ich heute auf keinen Fall nach Hause kommen!

Dann ging es los. Tjaark hatte bereits den Platz auf dem langen Holzsteg eingenommen und drillte bereits Forelle um Forelle.

Und ich….verlor meine ersten drei Fliegen zuerst mal hinter mir im Gras.

Während ich montierte, drillte Tjaark Forelle Nummer neun! Schön in Zwangs-Sichtweise- auf dem Holzsteg mitten des Sees.

Neiiiin- so etwas setzt eine Mittelklasse-Fliegenfischer wie mich gaaaaar nicht unter Druck!

Danach ging gar nichts mehr. Verknuddelte Schnüre, laut aufplatschende Fliegen vor denen die Forellen flüchteten…Und auf dem Holzsteg wurde Forelle um Forelle gefangen.

Frustriert blickte ich auf meinen leeren Eimer.

Ok, dachte ich!

Jetzt nimmst du deine Spinnrute und machst was du richtig gut kannst. Spinnfischen!

3 Einwürfe- 3 Bisse. Jetzt war ich beruhigt.

Peter tat dasselbe.

Von nun an konnte ich entspannt Fliegenfischen-ohne Fangzwang. Immerhin waren 3 Forellen sicher!

Ich beschloss an einen der kleineren Seen zu gehen. Doch die Forellen schwammen regelrecht um jede Trockenfliege und Nymphe herum, um sich 1 Meter nebendran auf die Bienenmaden zweier Männer zu stürzen. Eine Stunde lang donnerte ich erfolglos mein ganzes Repertoire an Fliegen ins Wasser. Erfolglos.

„Wooly Bugger schwarz mit sinkendem Vorfach!“, bekam ich schließlich den Tipp von Tjaark, nachdem ich schon wieder langsam mit der Spinnrute liebäugelte.

Selbstverständlich hatte ich ein schwimmendes Vorfach und keinen Streamer dabei!

„ Nimm von mir einen!“, bot mir Tjaark an.

Verdammt! Den letzten den mir Tjaark auslieh, hängte ich nach 2 Minuten in den Baum!

Ich zögerte. Dann griff ich doch in die Köderkiste von Tjaark.

Auswurf und….weg war Wooly Bugger!

Ein zweites Mal getraute ich mich nicht zu fragen, immerhin hatte Tjaark noch immer den ersten dran!

Wieder eierte ich an den Seen mit meiner Trockenfliege herum.

Zuletzt sogar mit Genehmigung vom Chef am oberen Aufzuchtbecken.

Doch die Forellen schwammen einfach um meine Fliegen drumherum!

Wütend schnappte ich meine Spinnrute und zog einmal den Spinner durch! Ich wollte wissen ob ich der Fiegenlooser war oder ob die Fische einfach keinen Hunger hatten!

Einwurf! Rums. Die Forelle hing!

Enttäuscht kehrte ich mit Forelle und Fliegenrute am großen See zurück.

Ein sichtlich strahlender Peter empfing mich am Wasser!

Er hatte soeben eine Forelle auf Fliege gefangen- und zwar auf die ziemlich hässlichste Fliege in schwarz-weiss. Dick und einfach und alles- aber nichts was ihr auch nur den Hauch einer Fängigkeit gegeben hätte.

Das einzig Beste war: Sie war selbstgebunden!

Peter entnahm nun Nummer zwei seiner selbstgebundenen Fliegen. Modell zwei stellte Modell eins gehörig in den Schatten! Eine lange, große Fliege in Streamer-Marnier, mit einem langen weißen Schweif, Glitzer und beschwerten Augen!

Das Ding bewegte sich im Wasser elegant wie ein lambada-tanzender Guppy.

Vor 1 Jahr hatte Peter das Ding beim gemeinsamen Fliegenbinder-Treff bei mir zu Hause gebunden. Jetzt war also Premiere!

Bämmm! Da hing sie. Fliegenforelle Nummer zwei!

Nächster Einwurf- Fliegenforelle drei!

Peter wurde mutig und holte einen grün-orangenen Streamer mit roten Augen aus der Box!

Ebenfalls selbstgebunden!

In Sichtweite ein Schwarm Forellen!

Einwurf Sandra – eine einzige Forelle schaut sich die Fliege an und wendet sich blitzartig zu Peters knallebunten do-it-yourself-Fliege.

Die restlichen Fische folgen ihr.

Peter kann sich quasi nicht mehr vor einem Anbiss schützen! Bämm! Die nächste hängt.

Dann kam Thomas noch dazu, ein weiterer Fliegenfischer.

Erster Auswurf und die Schnur landet gerade, perfekt und gute 20 Meter weit im Wasser!

Beeindruckt von der perfekten Wurftechnik blicken Peter und ich uns an.

„ Fassen wir also zusammen!“, meinte ich zu Peter, „ Tjaark ist der erfolgreichste Fänger, Thomas der erfolgreichste Werfer, du der erfolgreichste Fliegenbinder! Doch welche Rolle habe ich heute?“

Peter zögerte und lachte„ …wie wärs mit der der Kescher-Liesl ?“ Da biss auch schon wieder die nächste Forelle an bei ihm.

Irgendwie machte mir keschern tatsächlich sogar mehr Spaß als fliegenfischen mit der falschen Fliege!

„Komm, nimm mal meine Fliege!“, meinte Peter.

Ich überlegte…. immerhin hatte ich schon 6 Fliegen im Gras und an Ästen verloren. Tjaarks Streamer eingeschlossen. Eine selbstgebundene Super-Fliege anzufassen traute ich mich nicht (mehr). „ Ist nicht schlimm wenn sie weg ist, dann binden wir einfach ne Neue!“, beruhigte mich Peter und brachte seine Forelle vor zu Tjaarks Fischeimer.

„BESTE CHANCEN-NUTZEN SIE JEDE GELEGENHEIT!“ dachte ich so bei mir. Den Glückskeks stets vor Augen.

Nach etwas Zögern, ergriff ich die Chance.

Einwurf Peters Fliege und….4 Forellen verfolgen aufgeregt den Köder!!!! Das Adrenalin schießt mir wie ein Wasserfall ins Blut. Bämmm! Da hing sie! Meine Fliegenforelle!!!

„ Jaaaaa! Ich habe ne Fliegenforelle!!!!“, schrie ich vor Freude quer übern See!Mit Peters Fliege“

Gefühlt hat der ganze See geklatscht.Real kein Schwein. Aber gefreut hat es mich bis in die Abendstunden.

„Und wie heißt die Superfliege? Die Peter-Fliege“, meinte ich.

„Nee, eher brasilianische Sommerparty-Fliege“, meinter er, „die binden wir dann nochmal, bevor wir nächstes Mal wiederkommen!“

Und was lernen wir aus diesem Mist?

Dass Fliegenbinden doch sinnvoll ist![:]

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