Mein erster Meterfisch

Sonntag-Morgen, 10 Uhr. Der Wetterbericht sagt 30 Grad Celcius voraus. Meine Familie und meine Schwiegereltern die zu Besuch sind, beschließen ins Rheinstrandbad nach Rappenwörth zu gehen.

„Dann kannst du angeln gehen…“, meint mein Mann der mich mittlerweile gut genug kennt, dass er weiß- das ist besser so! 😉

An das Rheinstrandbad grenzt nämlich, wie der Name schon sagt….der Rhein.

Das einzige Problem an der Sache. Der Wasserstand ist aktuell dort so niedrig, dass man dort selten etwas fängt und vor allem nicht mittags bei 30 Grad Celcius.

Meine Familie positionierte sich am andern Ende, des Bades, ca. 1 Kilometer entfernt von meinem Angelplatz.

Die Sonne brennt!

Wie die Ölsardinen liegen die Besucher auf der großen Wiese zum Rhein hin. „Schaulaufen an der Uferpromenade“ sagte eine Freundin mal zu mir. Die Männer liegen auf den Liegestühlen und begutachten die Frauen die sich gerne im Bikini mit echtem und unechtem Inhalt grazil über den Asphalt bewegen. Zwischendrin: Ich…mit Angelrute und Kescher und werde begutachtet wie „ein Fehler im Bild“. An einer Promenade wo sich 5 Frauen oben ohne sonnen fühle ich mich unbeobachtet.

Rapfen gehen immer, denke ich so bei mir. Als ich einen Oberflächenwobbler durchs Wasser ziehe überlege ich mir was ich bis 16 Uhr mit einem Rapfen machen soll, falls einer beißt. Als ich das zweite Mal auswerfe, stelle ich mir vor, wie ich den Rapfen – der nicht in mein Rucksack passt- an tausenden von Menschen vorbeitragen muss. Oh Gott!!! Allein bei dem Gedanken daran läuft es mir eiskalt den Rücken herunter.

Barsch!! Ich angle auf Barsch, beschließe ich kurzerhand. Mein letzter Barsch hatte einen 5 cm langen Fisch im Magen- ich rüstete also um auf Gummifisch.

Und falls ein Zander beißt? überlege ich.

Einwurf in die Mitte des Rheinstromes! Plötzlich spüre ich einen Stein am Untergund. Ein Hänger? Genervt ziehe ich die Rute nach oben. Ein Ruck!

Ein Barsch? Souverän kurble ich ein! Verflixt! Da hängt was größeres dran! Ein Meterzander?Ein Hecht? Als ich den Fisch in Ufernähe drille, dreht sich plötzlich meine Rolle.

Sssssssssssuuuuuu……………….SSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSS……………Verdammt! Die Rolle war doch fast zu!!!…………..Meine Schnur geht langsam zu Ende! Pumpen!!! Du musst pumpen, Sandra, sage ich mir immer wieder! Mühsam ist der Fisch nun nur noch 10 Meter vom Ufer entfernt. Während ich die Rolle einkurbelte, zieht der Fisch erneut ab! Das muss ein großer Hecht sein!

Eine Barbe??? Ich hatte keinen blassen Schimmer was da gerade geschah. Hinter mir setzen sich die Frauen aufrecht hin und nehmen die Sonnenbrillen vom Gesicht. Eine Geräuschkulisse von ca. 50 Menschen prägt nun das bislang entspannte Ambiente am Rhein.

Verdammt! Immer wenn man einen Helfer braucht, war keiner da! Was mache ich wenn der Hecht nicht in Kescher passt? Ich sehe mich schon mit einer blutüberströmten Hand von einer möglichen Handlandung. Hinter dir steht eine Menschentraube, die wird dir nun zusehen wie du einen Hecht landest und einen Fisch tötest…und wenn du es nicht machst…machst du dich strafbar.

Die ersten Zuschauer packen ihr Handy aus…..die andern stehen mit offenem Mund am Rheinufer.

Irgendjemand erzählt was von einer kleinen Frau die einen großen Fisch an der Angel hat.

Vermutlich sehen die Sonnenanbeter vom Ufer aus mehr als ich von unten im Wasser stehend.

Panik! Meine 40 g Spinnrute biegt sich im 90 Grad -Winkel. Eine Stimme sagt mir, dass die Schnur am Limit ist. Die Rute auch. Der Fisch ist noch 2 Meter vom Ufer weg, zieht wieder ab. Die Prozedur wiederholt sich. Ein bisschen fühlt es sich an wie bei der Geburt eines Kindes. Eigentlich kannst du nicht mehr, aber musst weitermachen. Den Fisch holt keiner für dich aus dem Wasser!, sage ich mir immer wieder. Der Schweiß steht mir auf der Stirn! Wieder ist der Fisch in Ufernähe. Jetzt ist er am Ende – und ich bin es auch! Zitternd lauf ich über die Steinböschung und verliere dabei meine Badeschuhe. Ausgerechnet heute hatte ich zum ersten Mal keine Gumistiefel an! Barfuss stehe ich im Rhein und blicke einem Wels mit 1,30 Meter in die Augen. Nichts für den Kescher! Hinter steht eine Menschentraube:

„ Oh Gott!!! Solche Fische schwimmen da rum?“

„Das ist ein Wels!“

„Ihhhh….macht die den jetzt tot? Lass uns weggehen!“

„ Ja, ja…..natürlich kann man den essen! Den darf die Frau gar nicht freilassen!“

Die Hoffnung dass die Zuschauer blitzartig verwinden, wird zerschlagen als noch einige das Handy auspacken. Der Wels muss wohl dran glauben! Mit der Hand ziehe ich völlig entkräftet den Fisch barfuss ans Ufer und mache kurzen Prozess mit ihm.

Dann lässt das Adrenalin nach und ich sacke an der Böschung zusammen. Tief durchatmen.

Da liegt er… mein erster Meterfisch um 11.30 Uhr im Rheinstrandbad. Aufgeregt rufe ich meinen Mann an und meine Schwiegereltern….wieder und wieder! Das Handy liegt im Schließfach und die Familie planscht irgendwo im Wasser, keiner kann helfen!

Der Fisch wiegt gut 20 kg. Vor mir liegt nun ein 1 Kilometer-Fußmarsch zum Auto durch eine Menschenmenge von hunderten von Badbesuchern! Und mein Mann der regelmäßig Gewichte hebt – ist nicht erreichbar!

Nach einer halben Stunde am Rheinufer, muss der Wels weg- egal wie!Augen zu uns durch!

Ich schnappe den 20 kg Fisch, den 5 kg Rucksack, meinen Kescher und meine Rute und schleppe mich und den Fisch die Böschung hoch. Ich bin fix und alle! Einen Kilometer lang die Hälfte deines Körpergewichts zu tragen ist kein Zuckerschlecken

…….vor allem nicht wenn man als Frau bauchabwärts mit blutbesudelt ist, einen Monsterfisch in der Hand hält der nur 30 cm kleiner ist als man selbst und auf der Schaupromenade zwischen den Bikinischönheiten von Karlsruhes größtem Freibad läuft!

Ein Königreich dafür jetzt auf der Voyager zu sein und alles in einem Satz zu lösen: „Beam me up, Scotty!“. Vorsichtig schaue ich nach links und rechts….Werde ich jetzt gleich beschimpft? Bejubelt? Ob mir vielleicht ein starker Mann seine Hilfe anbieten würde?

Nichts passiert!! Die Leute blicken abwechselnd mich und den Wels an….dann wieder mich. Es wird minutenlang ruhig im Rheinstrandbad.

Der Schweiß läuft mir die Stirn herunter. Die Sonne brennt. Ich kann nicht mehr….! Da musst du durch, sag ich mir. Keiner trägt dir hier und heute diesen Fisch zum Auto!

Die letzten 300 Meter vom Ausgang zum Auto sind die Hölle, danach will ich nur noch in die Wanne und ins Bett. Es ist 13 Uhr.

Was lernen wir aus diesem Mist?

Angle nie da wo viel Betrieb ist…. ( egal mit welchem Köder)