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Der Karpfen-Hecht der ein Rapfen war

Was gibt es besseres auf der Welt, als Sonnenschein, die Kinder sind mit Oma und Opa unterwegs und mein Mann möchte einen Kaffee am Rhein bei Neuburgweiher trinken, während ich dort angeln gehen darf? Nein es gibt wirklich fast nichts Schöneres!

Und für circa 25 Motorradfahrer, 50 Radfahrer und annähernd 100 Sparziergänger gab es heute auch nichts schöneres als am Rhein in Neuburgweiher die Sonne zu genießen.

„Schatz?!“, fragte mein Mann, „ kannst du mir vielleicht wieder die Angel geben?“

Mittlerweile ist es schon Programm, dass mein Mann die Angel trägt damit uns beiden der Spruch erspart bleibt: „Schau mal, die Arme muss mit ihm angeln gehen und dann auch noch seine Sachen tragen..!“

Im Restaurant angekommen, bestellt mein Mann einen Kaffee, und ich verziehe mich ans Wasser. Stille! Die Sonne glitzert funkelnd auf der Wasseroberfläche. Massige Brutfische schwimmen vor meinen Füßen umher. Komischerweise kann ich fast ungestört angeln. Fast….!

„ Hi, ich bin Kevin! Wer bist du?“, fragt mich eine kindliche Stimme von hinten.

Ein cirka 8jähriger Knirps steht plötzlich direkt hinter mir.

„ Sandra!“, antworte ich, als drei Meter weiter eine ältere Frau zu dem Jungen rüberbrüllt.

„ Keeeeviiiin! Komm sofort her! Beim angeln muss man leise sein!!!Kevvviiiin!“

Eine Minute später steht sie ebenfalls hinter mir. „ Kevin, komm!. Sofort. Du störst hier! Kevin auf!“

Seelenruhig bleibt Kevin stehen.

„ Ich bleibe doch da hinten, Oma! Ich will nur sehen wie die Frau gleich einen Fisch fängt!“

Hm…Das würde ich auch gerne sehen!

Die Oma schimpft wie ein Rohrspatz, weil der Junge wie ein Pfeiler am Ufer steht.

„ Kääääääävin!! Wir gehen jetzt!!! Sofort!“

„Gleich, Oma!“, sagt Kevin, „ Ich habe noch nie geangelt! Angelst du auch zum ersten Mal?“

“Nö!“, meine ich,“ ich habe es schon einige Male getan!“

„Boahhh! Coool! Hammerhart!!! Und ist jetzt schon ein Fisch dran?“, fragt der Junge, während die Oma vom Schimpfen bereits einen sichtbar roten Kopf hat.

„Wenn ein Fisch dranhängt siehst du das!“,versuche ich ihm die Angelegenheit knapp zu erklären,“es ist aber gut möglich dass ich heute gar nichts fange!“

„Noch zwei Minuten, Oma!!!“, ruft Kevin zu seiner Großmutter.

Plötzlich ein Ruck in der Rute!!! Fisch??

Irgendwas zerrt schlagartig bestialisch an der Angelrute.

„Fisch! Oma, die Frau hat einen Fisch gefangen!!!“, schreit Kevin.

Ein großer Rapfen kommt zum Vorschein, für den ich zufällig auch noch einen Abnehmer habe!

„Wenn ich groß bin, werde ich auch Angler!“, meint Kevin und rennt zu seiner Oma zurück.

Und nun? Mein Mann hatte ja den Autoschlüssel und saß im Restaurant!

Augen zu und durch, dachte ich!

Mit dem Rapfen im Kescher schlappte ich zum Biergarten, vorbei an 10 Radfahrern, 15 Fußgängern und ca. 50 Biergartengästen.

„ Boooooah, ein Hecht!!“

„ Eeeeh….die hat einen Fisch geangelt!

„ Wahnsinn, da hat es ja echt Fische im Rhein!“

„ Petri! Was ist denn das für ein Fisch?“

„ Boahh ist der riesig!!“

Als ich mich den gefühlt 500 Fragen gestellt habe, hat mein Mann gerade seinen Kaffee bekommen und bittet mich den Fisch alleine zum Auto zu bringen.

Na dann…. Vorbei an weiteren 50 Spaziergängern und einer 10köpfigen Motorradfahrergang trage ich den Rapfen zum Parkplatz.

„ UUUUUUUUUUUUUhhhhh…..die Fischerin vom Bodensee!“

„ Ehhhhhy Alter! Guck mal!!! Die Alte hat n Hecht geangelt!“

„ Was für ein riesiger Karpfen!“

„ Sie sagten ein Krapfen? Sie meinen einen Karpfen! Ja die Fische kenne ich!“

„Schmeckt der gut?“

„ Falls Sie den nicht essen wollen, ich esse gerne Fisch!“

Als ich mich endlich zum Auto durchgekämpft habe, schaut mich ein Autofahrer nebenan mitleidig an.

„Ein Rapfen, gell?“

Nach der Flut an Kommentaren, freue ich mich schon fast darüber dass ich niemandem mehr erklären muss was ein Rapfen ist.

„Ein anderer Fisch wäre dir bestimmt lieber gewesen, oder?“, fragt der Mann im Auto. Vermutlich ein Angler?!

Kurze Zeit später taucht auch schon mein Gatte auf. Nachdem er mir den Schlüssel brachte, musste er den umliegenden Gästen erklären um was für einen riesigen Fisch es hier handelte. Wie er lebt. Ob es davon viele gibt im Rhein…. und konnte auch noch alle Fragen richtig beantworten.

Bevor die Frage kam, warum er eigentlich nicht angeln würde, packte er schließlich seine Sachen.

Als er ins Auto steigt, schaut ein Fußgänger zu dessen Ehefrau:

„Schau mal! Das ist der Mann von der Frau die den Hecht gefangen hat!“

Wenn das kein Titel ist 😉

Was lernen wir aus diesem Mist?

Dass in Neuburgweiher seit heute viele wissen was ein Rapfen und wer mein Mann ist.

Surströmming

J
Jedes Individuum hat seine Stärken und seine Schwächen. Der Wels ist ja fast blind, aber dafür riecht und spürt er gut. „Vielleicht sollten wir dann mal mit Surströmming auf Wels angeln gehen?“, meinte mein Bruder auf einer Familienfeier kürzlich zu mir. „Surströmming“ ist eine Fischspezialität aus Schweden. Der Geruch soll so widerlich sein, dass so mancher Tester beim öffnen der Dose erbrochen hat oder Mietern mit richterlicher Unterstützung fristlos der Mietvertrag gekündigt wurden nachdem sie eine Dose im Hausflur ausleerten. Nachdem die längst verfallene Dose die mein Bruder organisiert hatte, fast am platzen war, stellte ich drei Tage vor dem besagten Termin meine über Jahre (!) gesammelten Fischfetzen in die Sonne – die schon einmal zuvor drei Tage in der Sonne lagen! Ich war mir sicher: Sollte hier irgendein Wels sein….dem würden wir ein Festmahl bereiten dass er aus 10 km Entfernung noch riechen würde! So kam es also…. Mein Bruder, seine Frau Maren und ich machten uns Samstagabends zum Ansitzangeln auf Wels an den Pionierhafen beim Rhein auf: Vorsichtig begutachten wir die Fischdose mit dem Verfallsdatum 2016! Aufgeregt und mit Gummihandschuhen öffnet mein Bruder die Dose unter Wasser. Maren und ich beobachten das Geschehen aus sicherer Enternung. „ Es geht….ich habe es mir schlimmer vorgestellt!“ , ruft mein Bruder und hält die geöffnete Dose in den Händen. Erleichterung! Langsam nähern wir uns ihm. Plötzlich: „ Uahh….ihhhh….ähhhh“, kreidebleich hält er die Luft an und winkt uns weg. Dann erreicht sie auch uns … eine Brise aus fauligem, verwestem, gammeligem Fisch mit einer starken Unternote an Tierfäkalien und Bahnhofstoilette. Ein Polizist hat mir mal gesagt, Leichengeruch vergisst man nicht. Heute weiß ich – den Geruch von Surströmming vergisst man auch nicht! Mit Gummihandschuhen befestigen wir das Ekelzeug zusammen mit einem toten Rotauge am Haken. Beim Auswurf des 300 g Bleis haut es mich kräftetechnisch fast um. Danach geruchstechnisch. Das Sürström ist im Wasser. Doch jeder Partikel aufs Festland fiel verbreitet nun einen widerlichen Gestank im Umkreis von 100 Meter! Maren schlägt derweil erfolglos einige Schnaken in der Dämmerung tot. Die Stechmücken haben ihren Spaß mit uns! Wir haben Surströmming. Ruhig blicken wir aufs Wasser hinüber zur andern Uferseite, wo Leute vom THW gerade in einem selbstgebauten Swimmingpool am Ufer planschen. Der THW hat Spaß! Wir sitzen zwischen angeschwemmten Müll am Ufer und haben Surströmming. Nachdem beim THW Ruhe einkehrt, fährt ein riesiges Touristenschiff mit lauter südamerikanischer Musik am Rhein vorbei. Die Gäste haben einen Riesenspaß! Wir haben Surströmming. Während wir noch überlegen ob der Müll, das warme Wetter, das Wasser und die Salsamusik nicht doch ein wenig Urlaubsfeeling rüberbringt, erreicht uns eine neue Brise an vergammelten Fisch. Kreidebleich geht ein „Uähhhh- riecht ihr das auch?“ durch die Reihen. „ Buähhh- die kam aber jetzt von hinten!“ meint mein Bruder. Stimmt! Ich hatte ja auch noch selbstgemachten Gammelfisch dabei. Vorsichtig öffnete ich den Eimer und stellte fest, mein hausgemachtes Surströmming roch fast genauso schlimm. „ Will jemand ein Wurstbrötchen oder einen Kaffee?“, fragte Maren, die als Einzige einen Ansitzstuhl hatte. Mein Bruder setzte sich kreidebleich links von ihr auf den Boden. Ich setzte mich nach rechts! Gespannt blickten wir auf den THW- Pool. „ Da würde ich jetzt auch gerne reinspringen!“, meint Maren. „So eine Fahrt auf dem Salsa-Schiff ist bestimmt auch toll!“, kommentiert mein Bruder. Nö! Wir sitzen hier…am Wasser beim schönsten Hobby der Welt! Plötzlich erreicht uns ein Windstoß mit einer besonders starken Brise an Surströmming! Maren legt das Wurstbrötchen zur Seite. Das Wasser ist wie tot. Selbst um 23 Uhr raubt kein einziger Fisch im Hafen. Um 24 Uhr ziehen wir die Ruten aus dem Wasser. Das komplette Surströmming hängt noch dran! Mit Gummihandschuhen lege ich die Unterwasserpose auf den Boden, das Sürströming daneben. Die Kopflampe anzuschalten führt zu Permanentattacken an unzähligen Rheinschnaken. Wir sind alle drei froh keinen Wels haben landen zu müssen. Noch mehr Fischgeruch wäre zu viel des Guten gewesen! Auf der Rückfahrt zieht plötzlich eine unsäglich starke Prise an Gammelfisch von meinen Stiefeln hoch. Beim Einladen des Autos muss ich in der Dunkelheit mit den Gummistiefeln versehentlich in das Surströmming reingetreten sein. Es riecht so als bräuchte ich nun neue Gummistiefel und ein neues Auto.

Was lernen wir aus diesem Mist? Dass mit Surströmming kein Fisch zu fangen ist.