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Unterwegs mit der Superfliege

Die vergangenen Wochen war ich zu dem Fest eines Anglervereines eingeladen. Im Laufe des Abends unterhielt ich mich mit einigen Anglern über Vertikalangeln, Wallerangeln und diverse Gewässer.

„Du fischst auch mit der Fliege?“, fragte mich ein älterer Herr, der den Gesprächen bislang eher stillschweigend lauschte.

„ Ja“, meinte ich, „nur eben nicht so erfolgreich!“

Der Angler empfahl mir für mein Hausgewässer eine Fliege mit einem Namen, den ich im Leben noch nicht gehört hatte.

„…Also diese Fliege ist aus Hasenfell…und wenn du die bindest, dann fixierst du den Haken lose an der Öse…. Eine Intruderfliege quasi….und hier das Harz…..und..die Hechel kurz…da lang.“

Für einen Moment schaue ich wie ein Auto. Das war dann doch zu viel Binde-Information für eine Anfängerin wie mich.

Es folgte ein kurzes „Warte mal!“. Eine viertel Stunde später überreichte mir der Angler eine schwarze Plastikbox gefüllt mit ca. 10 selbstgebundenen Fliegen!

„Die hier sind fängig!“kommentierte er die wertvolle Dose und unterstrich das Ganze mit einem selbstsicherm Augenzwinkern.

Vorsichtig bestaunte ich den wertvollen Inhalt!

Zum ersten Mal im Leben bekam ich Einblick in die besten Fliegenmuster eines erfahrenen und erfolgreichen Fliegenbinders, der schon erfolgreich jedes (!) meiner Hausgewässer mit Fliege beangelt hat.

„Die schenke ich dir!“, meinte er.

Völlig überwältigt saß ich auf der Heimfahrt im Auto, während mein Mann mal wieder nur den Kopf scchüttelte warum ich mich über diese Fliegen freue, wo ich doch noch 50 andere zu Hause hätte. Ja!Andere schon! Aber keine selbstgebundenen Profifliegen!!!

Am nächsten Tag, machte ich mich sofort auf an ein Hausgewässer von mir! Sorgsam montierte ich eine der vielen Fliegen. Vorsichtig! Dreimal überpüfte ich das Vorfach und den Knoten!

Ein kurzes Gebet, dass die Fliege die ich mir raussuchte nicht am Baum hängen bleibt…..dann kam der erste Einwurf.

Tatsächlich ein Nachläufer!

Erneuter Auswurf. Eine Attacke!

Völlig geplättet stehe ich mit den Wathosen im Fluss und bestaune wie sich die Fische nacheinander auf die Superfliege stürzen! Faszinierend und etwas berauscht beobachte ich wie sich die Forellen aus dem nichts hoch an die Oberfläche katapultieren um den kleinen Köder zu attackieren. Doch keine der Forellen bleibt an dem Schonhaken hängen.

Nach einer Stunde beschließe ich die Stelle zu wechseln.

An einem strömungsreicheren Abschnitt werfe ich die Fliege erneut aus. Die Fliege kommt auf, sinkt wenige Millimeter unter die Wasseroberfläche und….

pötzlich zieht es ruckartig meine Rutenspitze nach unten! Fisch!!!!

Aufgeregt halte ich die Schnur unter Spannung, wohlwissend dass hier gerade ein kleiner Brocken von Forelle dranhängt.

Da lag sie! 42 cm…die Fliege perfekt in der Backe…und….in meinem Kescher!!!

Erneut werfe ich die jetzt etwas mitgenommene Superfliege aus!

Bämm!!! Nurmmer zwei hängt!

Wahnsinn. Wieder knallt eine Ü40er Forelle auf meinen Köder und landet in meinem Kescher.

Danach breche ich ab.

Geplättet. Beeindruckt und glücklich.

Keine untermaßigen Fische, keine aufwendiges rausoperieren des Hakens, kein Köder verloren und ein Drill von der Intensität eines Rapfens an der Spinnrute.

Als ich auf die beiden Forellen blicke, fühle ich mich zum ersten Mal in meinem Anglerinnenleben mehr als Fliegen- denn als Spinnfischer(in).

Und das alles nur wegen der Superfliege….

Was lernen wir aus diesem Mist?

Dass auf die Fliegen erfahrener Fliegenfischer Verlass ist!

Frank sei Dank

Einer der Angler mit dem ich immer gerne am Wasser war, war Frank.

Frank war 79 Jahre alt und passionierter Angler. Jedes Jahr verbrachte er in Alaska seinen Urlaub beim Lachsfischen. Ansonsten kümmerte er sich ehrenamtlich mit um die Bootsverwaltung im Anglerverein. Mit Frank war ich am Rhein, an den Rheinauen und mehrmals an der Murg. Auch wenn wir zusammen nie einen kapitalen Fisch an Land zogen, waren es oft wunderschöne, entspannte Stunden am Wasser an dich mich sehr gerne zurückerinnere. Kurz nach seinem 80. Geburtstag schenkte mir Frank seine Köderbox. Etwas irritiert blickte ich ihn an. Es waren seine Erfolgsköder aus Alaska. „Da musst du unbedingt mal hin, Sandra!“, waren seine Worte.

Auf die Frage ob er selbst nicht noch einmal nach Alaska wolle, bekam ich keine Antwort. Drei Tage später war Frank tod.

Ein Jahr lang, lag nun Franks Köderbox in meinem Angelschrank bis ich Anfang des Jahres beschloss einen schon etwas angerosteten Blinker mit auf die Piersch zu nehmen.

Gefangen hatte er nichts….auch keinen Lachs 😉

Seitdem lag Franks Blinker in meiner Köderbox, als Glücksbringer.

Als ich heute 2 Stunden Angelzeit hatte, fuhr ich an den Rhein. Zielfisch: Zander und Hecht.

Am Rhein angekommen traf mich der Schlag!

Rechts und links raubte es ohne Ende. Das Wasser kochte quasi auf ca. 100 m² Wasserfläche!

Doch wie sagt ein Holger Kuscher immer: „Rapfen die rauben, beißen nicht!“.

Trotzdem: Oberflächenköder, flachlaufender Wobbler und Popper durchgezogen….Nichts geschah!

Ok, dachte ich….lass dich nicht beeindrucken! Widerwillig montierte ich einen Gummifisch.

Bämm! Batsch! Batsch!!!!

Überall raubten die Rapfen an der Oberfläche!!!

Es war nicht auszuhalten! Konzentriertes Jiggen? Unmöglich!

Ich kam mir beim Zanderfischen vor wie jemand der in der weltbesten Konditorei saß und gezwungen wurde ein Schnitzel zu essen. Zandern zu jagen wenn vor die Rapfen jagen- das geht gar nicht!

Wieder montierte ich den Köder um…Spinner, schlanke Blinker…..kleine Wobbler, große Wobbler…Wobbler mit Propeller!

Die Rapfen liesen alle (!) meine Köder eiskalt!

Rapfen die rauben, beißen eben nicht!

Frustriert ordnete ich nach einer Stunde die Köder in meiner Box. Keinen wollten sie haben. Alle hatte ich durchprobiert! Alle…bis auf Franks Blinker.

Frank hätte in jedem Moment sicherlich meinen Frust mit mir geteilt oder einfach nur gelacht. Ich gönnte Franks Blinker also meinen letzten Auswurf!

Bämm!!!Einschlag. Die Rute kniet zu Boden. Rapfen!!!!! Aufgeregt drille ich den Räuber an Land. Knappe 60 cm.

Naja…wenn es einmal klappt…klappt es auch zweimal, dachte ich. Der nächste Auswurf zwingt die Rute binnen sekunden erneut Richtung Wasser. Noch bevor das Adrenalin des ersten Drills vorüber ist, knallt ein schöner 70er-Rapfen auf Franks Blinker.

Danach muss ich die Heimfahrt antreten!

Glücklich und erfolgreich. Dank Frank.

Was lernen wir aus diesem Mist?

Dass der ein oder andere Rapfen der raubt- manchmal doch noch zum Anbiss zu bewegen ist.

Forelle-mit Hindernissen

„Wie siehst du denn aus???“ Mehr hatte mein Mann nicht zu sagen, als ich wieder vom Angeln zurückkam.

Das Blut lief mir den Unterarm herunter, der auf der Rückseite übersät war mit Kratzspuren.

Dazwischen machten sich riesige Brennnesselpusteln breit! Auch mein Hals trug seine Spuren davon.

„Ihr Angler seid nicht viel anders als Drogenabhängige….Wie kann man nur….“, hörte ich noch, doch in Gedanken ärgerte ich mich mehr darüber, dass ich auch noch geschneidert hatte.

Das einzige was ich getan habe, war mal wieder auf „die Profis“ zu hören. Ich habe getan, was in jedem Angelratgeber zu lesen ist! An stark beangelten Gewässer muss man dort angeln wo keiner angelt.

Und wo ist das? Klar! Da wo keiner hinkommt. Keiner außer ich…. weil ich hunderte Meter mit der Wathose den Bach unter dem Gebüsch durchquere und dort auswerfe, wo sonst keiner auswerfen kann. Mein Tackle: Eine ultrakurze Rute, einen Watkescher und ich – hochmotiviert, dass ich endlich meinen Größenvorteil einsetzen kann.

Langsam klettere ich einen steilen Hang hinab. Einen sehr, sehr, sehr steilen Hang. Es ist die einzige Möglichkeit herunter zum Ufer des Gewässerabschnittes zu kommen.

Die anderen Hänge sind zugewachsen mit Brombeerhecken – rechts und links.

Die letzten 3 Meter rutsche ich ab. Im Bruchteil einer Sekunde muss ich darüber entscheiden, mich zur Seite auf die Rute oder nach hinten fallen zu lassen. Das Ergebnis ist ein blauer Fleck am Steißbein.

Busch für Busch, Baum für Baum schlängle ich mich trotz Schmerzen am Ufer entlang auf der Suche nach einem Spalt zum auswerfen. Doch nach 400 Metern sehe ich keine Steine mehr am Untergrund.

Matsch ohne Kies? Keine gute Kombination. Zumindest weiß ich aus Erfahrung, dass das Versinken im Schlamm gar nicht gut ist! Und hier, zwischen dem Gestrüpp, fernab der Zivilisation, würde mich nicht einmal ein Angler hören, würde ich um Hilfe schreien!

Verflixt! Vorsichtig taste ich mit einem Ast den Boden nach Steinen ab und werde fündig. Nach weiteren 100 Metern, führt mich mein Wat-Weg in die Mitte des mittlerweile gut 4 Meter breiten Gewässers. Endlich kann ich auswerfen. Einwurf….und Bämm!! Ich wusste es! Eine gute 40er Forelle schnappt sich meinen Köder und hakt sich ab! War es die Bremse? Die Rute? Der Haken? Oder ich? Noch bevor ich dazu komme die Ursache zu analysieren, beißt Nummer zwei. Und die bleibt hängen….dummerweise hat sie nur 25 cm. Nummer drei bis fünf müssen ebenfalls noch wachsen. Danach kehrt Ruhe am Wasser ein. Ich muss weiter! Da vorne sehe ich einen potentiellen Hot Spot! In Gedanken fange ich schon die Forelle aller Forellen, die noch nie einen Köder gesehen hat – bis ich komme!

Doch wo war mein Stock?? Mein Wat-Stock hatte sich aus dem Loch im Untergrund gelöst in das ich ihn gesteckt hatte! Und nun schwamm er….flussabwärts. Und ich? Ich stand nun mitten im wilden Wasser und sah weder rechts noch links wohin ich hätte gehen können!

Ein Albtraum! Vorsichtig tastete ich mit dem Griff meiner Angelrute den Boden ab zum naheliegenden Ufer hin. Da stand ich nun – ohne Stock! Und hinter mir? Eine ca. sechs Meter hohe Böschung, davon 2 Meter Brennnesseln und 4 Meter Dornenhecken und Brombeersträucher! Kein Ast, weit und breit.

Die Wahl war einfach: Ertrinken, im Schlamm stecken bleiben oder ab durch die meterhohe Hecke?

Ich mach´s kurz: Es tat weh!

Nachdem die Wunden nach 4 Tagen so gut wie verheilt waren, entschloss ich mich ein zweites Mal den Einstieg zu wagen! Diesmal hatte ich meinen Watstock angebunden und mich mit einem Seil den Hang abgeseilt. Irgendwie hatte das Ganze was von Indiana Jones. Und ich war mir sicher, dass mein „Schatz“ irgendwo dahinten war bei der nicht einsehbaren strömungsreichen Stelle 300 Meter weiter!

Sorgfältig tastete ich mich mit meinem Super-Watstock Schritt für Schritt vor, duckte mich unter den Bäumen durch, hangelte mich zwischen Ästen und Steinen am Ufer entlang, als sich plötzlich in einer Minute, in der ich eine kurze Atempause benötigte, eine größere Forelle rauben sah!

Über mir flog ein Storch mit einem Ast im Schnabel. Die Sonne verwandelte das Wasser in einem Glitzermeer. In diesem Moment wusste ich: „Sandra, du bist im Forellenparadies angekommen!“

Der Köder kommt auf dem Wasser auf – Bämm!!! Wieder eine 20er!

Die nächsten Einwürfe sind erfolglos. Wieder ein Einwurf und ….der Köder hängt am Baum. War klar, dass das irgendwann kommen musste! Immerhin hängt er nur zwei Meter weg von mir! Zügig binde ich meinen Watstock ab und erreiche damit den Ast, an dem der Köder hängt als ich nach vorne kippe, mich wieder fange und gleichzeitig nach meiner Angelrute greife. Mein Watstock schwimmt derweil flussabwärts. Wieder hangle ich mich tastende mit der Rute zum Ufer hinüber. Zu meinem „Hot Spot“ sind es nur noch gute 50 Meter. Ein morscher Ast muss nun herhalten! So morsch, dass er beim ersten Abstützen zusammenbricht und ich längs im Wasser liege.

Das Wasser fließt mir in die Wathose hinein. Mein Klamotten drunter: klitschnass!

Mein rechter Arm aufgeschürft! Jetzt erst Recht!!! dachte ich mir. Jetzt wo ich schon mal nass und (wieder) demoliert war, hangelte ich mich am Ufer wie ein Affe durchs Gebüsch.

Brennnessel hin, Brombeersträucher her….Kurz vorm Ziel umzukehren kam nicht mehr in Frage!

Schließlich kam ich an! Es war, wie ich es mir vorgestellt hatte! Schnell fließende Bereiche, strukturreich, langsam fließende Bereiche.Überhängende Bäume…..Ich war mir sicher – hier war außer mir noch keiner! Nicht einmal der Kormoran! Tiefe Gumpen wechselten sich mit strömungsreichen Steinpackungen ab.

Ein Traum! Einwurf!…Nichts. Nächster Einwurf, wieder nichts. Verzweifelt, nass und blutend stand ich am Ufer! Das konnte jetzt nicht das Ende meiner Expedition sein!

30 Minuten warf ich ununterbrochen meinen Köder ein – ohne einen einzigen Kontakt.

Langsam wurde es Zeit nach Hause zu gehen, es begann zu dämmern…und ich hatte einen langen Rückweg vor mir.

Letzter Auswurf und …Bämm!!! Da war sie… zwar nicht die Mutter aller Forellen aber immerhin ein maßiges Exemplar von 30 cm.

Stolz watete ich nach Hause.

Die Blicke der Autofahrer, als ich mit quietschenden Wathosen am Gehweg entlangwate und einen Wasserspur hinter mir lasse…..die lädierten Arme…..die nassen Haare….Egal! Mein Mut wurde mal ausnahmsweise belohnt.

Diesmal kam ich nicht nur mit Wunden nach Hause, sondern auch noch nass – und vor allem glücklich!

Was lernen wir aus diesem Mist?

Dass eine Riesenforelle auch nicht immer an unbesuchten Orten ist.